„Ich wusste gleich: Das ist eine Katastrophe“

Hinter Benjamin Stumpf vom Fußball-Kreisligist SV 05 Froschbachtal liegt eine Horror-Verletzung. Nun spricht er über sein Leiden und ob er überhaupt wieder Sport treiben kann.

Das wird es wohl nicht mehr geben: Benjamin Stumpf als Torhüter auf dem Fußballplatz. Der Keeper des SV 05 Froschbachtal verletzte sich so schwer, wie kaum ein Spieler in dieser Saison in der Region. Foto: Michael Ott
Das wird es wohl nicht mehr geben: Benjamin Stumpf als Torhüter auf dem Fußballplatz. Der Keeper des SV 05 Froschbachtal verletzte sich so schwer, wie kaum ein Spieler in dieser Saison in der Region. Foto: Michael Ott

Herr Stumpf, erinnern Sie sich noch an den 20. Oktober?

Oh ja! Ich hatte mich damals auf unser Spiel in Regnitzlosau riesig gefreut. Wir wollten unbedingt das erste Team sein, das die SGR besiegt – und ich hatte auch ein gutes Gefühl. Beim Warmmachen war alles perfekt. Doch als zirka eine Viertelstunde gespielt war, passierte das Unglück.

Was ist passiert?

Ich wollte einen langen Ball aufnehmen und spüre kurz bevor ich den Ball aufnehmen möchte, wie mein linker Fuß hängen bleibt. Mein komplettes Gewicht lastete auf dem Bein. Es hat einen riesigen Schuss getan. Auch die Spieler um mich herum haben es gehört. Für mich war sofort klar: Das ist die Katastrophe!

Haben Sie die Minuten danach mitbekommen?

Ich bin in meiner Karriere nicht von Verletzungen verschont geblieben: Meniskusriss im rechten Knie, am linken Knie hatte mir schon einmal das Kreuzband gerissen. Daher wusste ich, wie sich der Schmerz eines Kreuzbandrisses anfühlt. Nach einer Minute war der vorbei. Aber in Regnitzlosau habe ich geschrien wie verrückt. Ununterbrochen! Ich habe noch nie so einen Schmerz erlebt. Der Schmerz hörte nicht auf. Mir wurde dadurch schlecht. Und ich habe gleich gespürt: Im Knie ist alles kaputt.

Ein Retter war aber zur Stelle!

Ja, zum Glück war Hans Hermann Singer als Arzt mit dabei. Er betreut unser Team und hat mir noch auf dem Platz eine kleine Narkose gelegt. Ich bin dann erst wieder im Krankenhaus aufgewacht. Für mich war das die Rettung. Ich hätte länger leiden müssen. Ich bin ihm für die schnelle Hilfe sehr dankbar.

Sie sind ein Vollblut-Sportler: Sind Sie in den Tagen nach der Verletzung ein Loch gefallen?

Total! Ich hatte zwei Probleme: zum einen die Wartezeit von zwei Tagen, bis endgültig bestätigt wurde, was passiert ist. Die Ungewissheit macht dich fertig. Hinzu kamen noch die ungeheuren Schmerzen. Bei jedem Millimeter Bewegung habe ich gedacht, mir fliegt mein Knie raus.

st Ihnen durch den Kopf gegangen: Das alles nur für mein Hobby?

Ja, aber Fußball war mehr als nur ein Hobby für mich. Es ist eine Leidenschaft. Gerade für mich als einen, der sportverrückt ist und an jeden Ball haut, der irgendwo liegt.

Was ist denn nun im Knie kaputt?

Die Diagnose habe ich erst am Montagabend erhalten – das Spiel war am Samstag. Der Kreuzbandriss sei das kleinste Übel, sagte mir der Arzt. Da wusste ich, was auf mich zukommt. Der Innenmeniskus ist gerissen und der Außenmeniskus war komplett weggerissen und war zwischen Nerven geklemmt. Es bestand sogar die Gefahr, dass kleine Meniskusteile in die Blutbahn kommen. Deshalb sollte ich so schnell wie möglich operiert werden. Aber ich habe gleich gefragt: Wie sieht es denn mit Fußball aus?

Das ist aber früh!

Er sagte mir: Sport ist für mich vorbei. Außer Schach. Da haut es dich natürlich um, weil ich neben dem Fußball auch noch Tischtennis spiele. Der Therapieplan sah 16 bis 17 Monate vor. Damit wurde ich allein gelassen. Ich habe die gesamte Nacht kein Auge schließen können. Mein Entschluss: Ich habe mir noch eine Zweitmeinung eingeholt. In Bayreuth hat sich die Diagnose bestätigt. Aber: Der zweite Arzt relativierte das Thema Sport, auch wenn er vom Fußballspielen abraten würde.

Wie geht es Ihnen heute?

Nach der ersten Operation bin ich aufgewacht, habe nach unten geschaut und bin erschrocken: Mein rechtes Bein war eingebunden. Meine Verletzung war aber links! Ich habe eine Schwester gerufen – und sie hat mir geantwortet: Das weiß sie auch nicht.

Die Narkose war in diesem Moment sicherlich schnell verflogen, oder?

Absolut. Auf Nachfrage hat sich aber herausgestellt, dass alles seine Richtigkeit hatte. Aus dem gesunden Bein hat man mir eine Sehne genommen, um es als neues Kreuzband zu nutzen. Also alles in allem: Die erste Operation habe ich gut überstanden, die Menisken sind genäht, auch das Kreuzband. Das war vor genau fünf Wochen.

Sind Sie schon auf dem Weg zurück auf den Sportplatz?

Durch die krasse Meniskusverletzung darf ich zwölf Wochen lang überhaupt keine Reha machen darf, denn es besteht die Gefahr, dass die Naht wieder aufreißt. Eigentlich möchte ich jetzt schon wieder in den Muskelaufbau, aber ein Vierteljahr lang ist überhaupt nichts möglich.

Sie sind jetzt 30 Jahre alt, haben lange Zeit Sport getrieben. Wie schlimm ist es, nun auf Eis gelegt zu sein?

Das ist eine Katastrophe! Natürlich gibt es durchaus viel Schlimmeres. Bei meiner Freundin wurde vor 15 Monaten Krebs festgestellt. Sie hat es aber mittlerweile gut überstanden. Dadurch habe ich gesehen, dass es ganz andere Leiden gibt. Wenngleich, wenn man so sportverrückt ist wie ich, dann muss ich offen zugeben: Ich komme noch nicht so recht damit klar, dass nun mit allem Schluss sein soll. Aber durch die Zweitmeinung hege ich eine kleine Hoffnung. Aber vielleicht kein Fußball. Allerdings wache ich früh oft auf und denke mir: Soll es das nun wirklich schon gewesen sein? Nach so einer blöden Verletzung nach 15 Minuten in Regnitzlosau?

Was hat Ihnen Kraft gegeben, die schwierige Phase durchzustehen?

Familie und Freunde. Unglaublich viele Leute habe mir Mut zugesprochen. Der Rückhalt war sehr groß.

Wann haben Sie Ihr Lachen zurückgewonnen?

Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch. Aber das erste Mal habe ich wieder gelacht, als die Schwester mir nach der OP bestätigt hat, dass sie das richtige Bein operiert haben.

Zum Abschluss: Sie verfolgen die Spiele Ihres Teams. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Ich stand fast täglich im Austausch mit Trainer Ralf Bröcker. Das große Ziel mit Platz zwei ist schon richtig weit weg. Ganz offen: Die Saison ist absolut enttäuschend.

Das Gespräch führte Marcus Schädlich

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Quelle: Frankenpost Online , 28. 11. 2019 10:42 Uhr, Text: Redaktion, Foto: Michael Ott
https://www.frankenpost.de/sport/regional/fp_sport/lokalsport/Ich-wusste-gleich-Das-ist-eine-Katastrophe;art129741,7020016